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Abspeckblogger - Gemeinsam stark

Samstag, 26. Januar 2013

Aufmerksamkeit Teil 2

Vielleicht war mein Post von gestern zu einseitig. Ich habe mich über die Aufmerksamkeit und all die Ratschläge, die einem als Dicke zuteil werden, beschwert - aber nicht erläutert, woher die Abneigung stammt.

Fangen wir mal so an: Mir wurde schon als Kind eingeredet, dass ich zu dick bin. Ich war nicht so zart wie andere kleine Mädchen, aber auch nicht dick. Man kann sagen, dass mich das Gewichtsthema seit 20 Jahren begleitet und ich mich ungefähr genauso lange unwohl in meinem Körper fühle.
In diesen 20 Jahren habe ich immer besonders sensibel auf alle den Themenkomplex betreffenden Bemerkungen reagiert und mir viele von ihnen bis heute eingeprägt. Je dicker ich im Laufe der Jahre wurde, desto mehr Sprüche hagelte es von allen Seiten.

Hier mal eine kleine Sammlung, die mir spontan einfällt:

  • Das ist doch scheiße, wenn man so dick ist / Das ist doch kein Leben wenn man so dick ist
  • Hast du dich eigentlich mal im Spiegel angesehen?
  • Hast du dich eigentlich mal von hinten gesehen?
  • Du wärst ja eigentlich gar nicht so hässlich / Du hättest ja eigentlich ein ganz hübsches Gesicht - wenn du nur nicht so fett wärst
  • Du willst doch auch mal einen Freund haben / Du willst doch auch mal einen Mann kennenlernen
  • Männer die auf dicke Frauen stehen sind psychisch krank. So einen willst du doch mal nicht haben!
  • Deutsche Männer wollen keine dicken Frauen. Wenn du nicht abnimmst, musst du mal einen Ausländer heiraten.
  • Du willst doch auch mal gebumst werden!
  • Das nächste Mal, wenn du Heißhunger hast, isst du einfach nur einen Apfel / trinkst du ein Glas Wasser / legst du dich ins Bett und schläfst
  • Du musst jetzt halt mal ein paar Monate auf alles verzichten - danach kannst du ja wieder normal essen
  • Hör auf mit deinen scheiß Diäten - friss einfach nichts mehr, dann nimmst du schon ab
  • Also, wenn du diese Diät auch nicht schaffst, war's das. Das ist deine allerletzte Chance - danach musst du dich damit abfinden fett zu sein
  • Ist ja lustig, dass du den Job bekommen hast. Der Chef stellt eigentlich nur hübsche Mädels ein.
  • Wenn du so dick bleibst, findest du keine Arbeit. Niemand stellt dicke Menschen ein.
  • Was? Du möchtest im Café XYZ nebenbei kellnern? Der Chef nimmt dich so wie du aussiehst niemals - außer er will dich in den Keller sperren!
  • Na komm, heute kannst du mal eine Ausnahme machen. Ist doch der Geburtstag von XYZ - da zählt der Kuchen nicht
  • Ist schon blöd, wenn man Diät halten muss!
  • Was? Du darfst das nicht essen weil du auf Diät bist? Das ist doch kein Leben!
  • Deine Cousine hat so toll abgenommen. *Pause* Du wirst das nie schaffen, du bist viel zu willensschwach (ich war damals 9 und meine Teenager-Cousine hatte ein paar Pfund Babyspeck verloren)
  • Ich hab neulich eine Reportage über dicke Menschen gesehen. Da mussten sie einen mit dem Kran aus seiner Wohnung transportieren, weil der so fett war. So willst du doch mal nicht enden?
  • Du stirbst bestimmt mit 30 an Herzverfettung!
  • Komm, lass uns zusammen abnehmen. Ich bin ja so dick geworden, schau mal wie furchtbar ich aussehe (O-Ton einer 60 kg schweren Bekannten)
  • Hach, wir beide sind ja so fett und hässlich (O-Ton einer anderen Bekannten)
  • Hast du eigentlich mal versucht abzunehmen? Da kommt doch immer die Werbung im Fernsehen von den W...W...!
  • Komm, wir müssen deinen Blutdruck messen. So dick wie du bist hast du bestimmt Bluthochdruck (Ritual bei Verwandten im Rentner-Alter. Und ich habe übrigens keinen Bluthochdruck)
  • Wusstest du eigentlich, dass man sich den Magen mit einem Gummiband verkleinern lassen kann? Wär das nichts für dich?
  • Wusstest du, dass man sich einen Teil vom Magen rausoperieren lassen kann? Wär das nichts für dich?
  • Hast du mal an eine Fettabsaugung gedacht?
  • Das wär doch toll, wenn wir einfach ein scharfes Küchenmesser nehmen und dein ganzes Fett wegschneiden könnten!
  • Probier's mal mit Fairy Ultra - das kleine Wunder gegen Fett *höhö*
  • Du siehst in deinem Auto wie eine überdimensionierte, fette Barbie-Puppe aus
Ok, ich glaube das reicht.

Wenn man sich 20 Jahre lang immer und immer wieder solche und ähnliche Sachen anhören darf, zieht man sich irgendwann zurück. Man hat keine Lust mehr auf andere Menschen und ihre Kommentare.
Ab und an sollte man doch raus - zum Beispiel weil man Geld verdienen muss oder doch nicht komplett vereinsamen möchte. Wenn man bei diesen Gelegenheiten von einer Person abgefangen und mit Diät-Weisheiten überschüttet wird, ist das wie ein immer wiederkehrender Albtraum - ganz egal, wie nett die Ratschläge gemeint sind.

Es gibt bestimmt viele übergewichtige Personen, die nicht solche Erfahrungen gemacht haben und Diät-Gespräche positiv auffassen.

Aber es gibt einfach auch eine ganze Reihe Adipöser, die noch schlimmeres erlebt haben. Ich habe im Laufe der Jahre viele von ihnen kennengelernt. Menschen, die in der Kindheit sexuell missbraucht wurden. Menschen, die von ihren Eltern körperlich und/oder seelisch stark misshandelt wurden. Menschen, die keine Liebe bekommen haben und vernachlässigt wurden. Menschen, die in kaputten Familien groß geworden sind. Menschen, die von psychisch- oder suchtkranken Eltern erzogen wurden. Menschen, die von Freunden oder Partnern schlecht behandelt wurden/werden.
Viele dieser Menschen essen nicht deshalb zu viel, weil ihnen bestimmte Nahrungsmittel so gut schmecken. Viele essen zu viel, weil Nahrung ihre Zuflucht ist. Ein essbarer Ersatz für alle Emotionen, die sie nicht leben können.

Deshalb sind pure Diät-Ratschläge meiner Meinung nach oft Fehl am Platz.
Es ist nett, jemandem Hilfe anzubieten. Aber nicht jedem Dicken ist mit Ernährungsweisheiten geholfen.
Manchmal genügt es schon, einfach nur da zu sein und Vertrauen zu schenken.

3 Kommentare:

Ohweia, liebe Zuckerina! Da sind ja jede Menge Gemeinheiten dabei gewesen, die man Dir an den Kopf geworfen hat. Ich verstehe Dich absolut. Mich begleitet das Thema auch schon seit der Kindheit. Hin und wieder hörte ich auch mal so einen Klopper, aber das, was da oben alles steht ist wirklich richtig furchtbar. Sowas geht niemals ohne Spuren an einem vorbei. Ich habe mir im Laufe der Jahre angewöhnt, "unsichtbar" zu sein. Das ist mit meinem Umfang natürlich nicht wirklich möglich, aber ich versuche einfach, möglichst unauffällig zu sein, immer im Hintergrund zu bleiben, immer still und leise. Keine optimale Lösung, zumal es eine gewisse Isolation zur Folge hat, aber ich möchte mich solchen Sprüchen oder nett gemeinten Ratschlägen einfach nicht aussetzen. Erzählst Du deinen Mitmenschen eigentich noch von Deinem Vorhaben, Gewicht zu reduzieren? Bei mir ist nur mein Freund eingeweiht.. eben um Ratschläge und Kommentare nicht ertragen zu müssen. Es wäre alles einfacher, wenn das Umfeld nicht mit solchen Sprüchen ankäme, sondern einen positiv bestärken würde.
Ich drück dich :-)

HUHU
Ich kann von Glück sagen das ich zwar Moppelig war aber so richtig übergewichtig wurde ich erst als ich mit meinen Mann zusammen gekommen bin und die 100 Kilo geknackt habe.
Vorher habe ich nie solche gemeine Dinge gehört und jetzt auch ehr seltener und wenn dann nur von blöden hirnlosen Menschen. Es gibt immer einen Grund warum man Dick ist und das gute ist das wir was dagegen tun können, wir müssen nur wollen und wir sind auf den richtigen Weg.
LG Frau S.

Ihr Lieben,
danke für eure Worte <3

@ Chunky: Ich bin mir sicher, dass auch schon weniger krasse Worte ihre Spuren hinterlassen. Zumindest hat man doch immer das Gefühl, nicht richtig zu sein.
Deine Isolation kenne ich so gut. Nicht auffallen, immer nett und freundlich sein.
Mag sein, dass man mit diesem Verhalten Verletzungen aus dem Weg geht - aber man nimmt sich selbst ganz viel Lebensqualität.
Ich habe mich in all den Jahren eigentlich nicht gelebt. Ich habe mich unauffällig und schlabbrig gekleidet, ich hab immer Ja und Amen gesagt, ich habe nichts getan, was irgendwie für Gesprächsstoff sorgen könnte. Dafür habe ich mir fast jeden Abend ein paar Packungen Süßigkeiten reingehauen um mich für all das zu entschädigen.
Ich glaube, dass das Abnehmen leichter fällt, wenn man mehr auf die Meinung anderer Menschen sch... und sich endlich auslebt, all das tut, was man schon immer tun wollte.

Aber ich rede so leicht daher... ich schaff es ja selbst nicht immer. Manchmal ist die Angst einfach noch zu groß.

Es wissen nur sehr wenige Menschen von meinem zuckerfreien Leben. Mein Partner weiß es natürlich. Seinen Eltern haben wir's erzählt, damit sie das Weihnachtsessen entsprechend planen konnten und verstanden, warum ich sämtliche Süßigkeiten ablehne. Meiner Mutter habe ich kurz nach Weihnachten eingeweiht. Ansonsten weiß es aus meiner Familie keiner, aber ich habe eben keinen guten Draht zu ihr.
Ein paar wenige Freunde sind ebenfalls im Bilde.

Ich hab früher öfter mal den Fehler begangen, Menschen aus meinem Umfeld von aktuellen Diäten zu erzählen. Mit dem Ergebnis, dass es oft Einmischungen oder eben wieder blöde Kommentare gab und mir beim Scheitern eine kleine Welle von Schadenfreude und "wusst ich's doch" entgegen schlug. Das will ich alles nicht mehr.

Ich kann also gut nachvollziehen, warum du nur deinen Freund eingeweiht hast - es ist bestimmt der richtige Weg, der dir den geschützten Rahmen bietet, den du brauchst.

@ Frau S.: Es ist bestimmt ganz gut, wenn man diese negative Erfahrungen erst als Erwachsener macht. Dann ist die Persönlichkeit ausgereift und man nimmt sich diese Sprüche nicht so zu Herzen.
Ich habe all das sehr lange wirklich geglaubt! Erst im Laufe der Jahre kam hin und wieder eine Eingebung, dass das nur blödes Geschwätz war. Bis heute verfolgen mich ein paar von den Sätzen...
Ich mag jetzt aber auch nicht nur rumjammern. Wie geschrieben: Ich habe Menschen getroffen, denen noch viel schlimmeres angetan wurde, das muss man sich auch vor Augen halten.

Mir ist heute einfach nur wichtig, dass ich mich selber reflektiere und meine Glaubenssätze stetig hinterfrage. Daran wächst meine Persönlichkeit.

Ich bin mir sehr sicher, dass ich auf dem richtigen Weg bin und ich wünsche dir das von ganzem Herzen! :-)

Ich drück euch beide!

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